Mit ihrem aktuellen Roman “Steirerquell” erfüllt Claudia Rossbacher wieder die Erwartungen ihrer treuen Leserschaft: Sandra Mohr und Sascha Bergmann lösen einen Mordfall in einer bestimmten Region der Steiermark. Wie üblich werden deren Naturschönheiten, regionale Spezialitäten und die Mentalität der Bewohner in einem charakteristischen Abriss vorgestellt, der beim Lesen die eigene Urlaubsplanung überdenken lässt. Dabei setzt die Autorin wieder auf das Zusammenspiel der beiden Hauptfiguren und verzichtet weitgehend auf inhaltliche Spompanadeln (und würde diesen Begriff wohl in ihrem Glossar als “Spaß” oder “den Rahmen des Erwartbaren sprengende Handlung” erklären). Zwei Abweichungen gibt es allerdings diesmal: Bevor der Fall nämlich offiziell zu einem solchen wird, beginnt Sandra bereits auf eigene Initiative zu ermitteln. Auslöser ist dabei jener Hilferuf ihrer Freundin Andrea, der im Vorgängerband Steirerpakt einen offenen Schluss bildet … und den Lesern eine (inzwischen sehnsüchtig erwartete) Fortsetzung verspricht.
Claudia Rossberger verzichtet auf die konventionelle Dramaturgie des Genres
Und hier liegt auch die zweite Neuerung: Die Geschichte setzt unmittelbar und ohne Zeitverzögerung am Ende von “Steirerpakt” ein. Damit verzichtet die Autorin auf die konventionelle Dramaturgie des Genres, nach der zunächst in einer für den Handlungsort üblichen alltäglichen Situation eine Leiche aufgefunden wird und erst danach die Ermittler in Erscheinung treten. Sandra Mohr ist bis knapp zur Befangenheit persönlich betroffen und bereits tief in den Ermittlungen, als sie – zeitverzögert – zu einer bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Frauenleiche gerufen wird. Mit der intensiven Schilderung der bangen Momente der Ungewissheit erreicht die Autorin den bisher emotionalen Höhepunkt der Serie.
Die bislang durch besonnene Stärke und Distanziertheit in ihrem Beruf überzeugende Sandra ist angeschlagen, verletzlich. In diesen Momenten zeigt sich gereiften Beziehung zwischen ihr und ihrem Partner und Vorgesetzten Sascha Bergmann, der sie in dieser Situation löwenhaft verteidigt. Dennoch werden die gewohnten mit geschliffener Klinge geführten verbalen Duelle zwischen den beiden zur Freude der treuen Leserschaft regelmäßig ausgetragen. Anders als in den früheren Bänden der Serie dienen diese jedoch nicht mehr dazu, einen Rang zu erkämpfen oder das gesellschaftliche Revier zu markieren. Wenn Sandra die zynischen Bemerkungen ihres Vorgesetzten schlagfertig pariert, ist dies inzwischen ein vertrautes Ritual, ein Ausdruck gegenseitiger Wertschätzung.
“Auf einmal musste Sandra lachen. Ihre sich ständig wiederholenden Diskussionen klangen, als wären sie schon jahrelang miteinander verheiratet. (…) Doch während sich die meisten ihren Lebenspartner selbst aussuchten, war ihr der Chefinspektor ungefragt vor die Nase gesetzt worden.” (S. 120)
Dass die beiden ihre beruflich-kameradschaftliche Beziehung auch privat vertiefen, kann übrigens nach einer pikanten Szene – in der sie einander so nahekommen wie nie zuvor – bis auf weiteres ausgeschlossen werden.
Bereits im Vorgänger, Steirerpakt, hat Rossbacher ihre eigene Welt und jene ihrer Figuren ineinanderfließen lassen. An diesem Spiel mit den Möglichkeiten dürfte sie Gefallen gefunden haben, auch in “Steirerquell” lässt sie – schon etwas trittsicherer – Mohr und Bergmann in die Wirklickeit der Leser ein- und damit aus der Fiktion austreten. Das ganze vollzieht die Autorin auf zwei Ebenen: Zum einen tauchen Eckpfeiler aus “ihrer” Öffentlichkeit auch in jener der Figuren auf, etwa die in der Steiermark auflagenstarke “Kleine Zeitung” oder der Wetter-Pauli, der Moderator der Wettervorhersage in den lokalen Fernsehnachrichten. Zum anderen unterscheidet sie zwischen Realität und Fiktion – und ordnet die Romanhandlung ersterer zu:
“Auf einmal wusste Sandra, an wen Juliana Freißmuth sie erinnerte. An diese ältere amerikanische Schrifstellerin mit dem grauen Pagenkopf, deren Kriminalromane in Venedig spielten. ‘Freilich haben wir auch Krimis’, antwortete ihr Gegenüber. ‘Die sind sogar sehr beliebt bei unseren Leserinnen und Lesern. Überhaupt die, die in der Steiermark spielen.’ ” (S. 104)
“Strebte er womöglich eine Zweitkarriere als Krimiautor an? Wie ein befreundeter Kollege vom LKA Salzburg, der bereits seinen dritten Kriminalroman veröffentlicht hatte?” (S. 105)
Diese Überlegung könnte auf den Autor Oskar Feifar anspielen, der laut Vita seines Verlags tatsächlich hauptberuflich für das Salzburger Landeskriminalamt Salzburg arbeitet, dessen dritter Roman 2014, also im Zeitraum der Handlung, erschienen ist und der regelmäßig in den Danksagungen Claudia Rossbachers erwähnt wird. Mit dieser real existierenden Person als Angelpunkt werden also die Figuren in die Wirklichkeit gehebelt. Und wer weiß, vielleicht begegnen sie in einem der kommenden Bände sogar Claudia Rossbacher selbst …
Persönliches Fazit
Die Steirer-Krimis mit dem thematisch variierenden Herz-Symbol auf dem Cover funktionieren inzwischen losgelöst von der Handlung, nur in der unterhaltsamen Interaktion der Figuren vor steirischer Kulisse. Insofern müssten Sandra Mohr und Sascha Bergmann eigentlich keine Mordfälle mehr lösen, sondern könnten etwa auch als Beamte des Umweltschutzamtes das Land bereisen. Dass sie es dennoch tun – gerade im Graubereich zwischen Fakt und Fiktion – ist ein Genuss beim Lesen.
© Rezension: 2018, Wolfgang Brandner
Sandra Mohrs achter Fall
Kriminalroman
Gmeiner Verlag | ISBN 978-3-8392-2265-2
Februar 2018
Klappbroschur Premium
279 Seiten
www.gmeiner-verlag.de