Der Anfang einer Zukunft | Kenneth Bonert

by Marcus Kufner
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“Der Anfang einer Zukunft” von Kenneth Bonert

 

Südafrika Ende der 80er-Jahre, das politische und soziale Erwachen eines ganzen Landes: Martin Helger, 16, mogelt sich durch eine jüdische Eliteschule in Johannesburg, die sein im Schrotthandel reich gewordener Vater Isaac finanziert, während sein Bruder Marcus gegen Isaacs Willen zur Armee geht. Da bekommt die Familie Besuch aus den USA. Annie ist die ungewöhnlichste junge Frau, der Martin je begegnet ist. Offiziell ist sie Lehrerin in den Townships, undercover aber Anhängerin Mandelas, und sie reißt Martin mitten hinein in den gärenden Konflikt. [© Text und Cover: Diogenes Verlag]

 

Kenneth Bonert hat mich mit seinem ersten Roman “Der Löwensucher” schon sehr beeindruckt. Mit gespannter Erwartung habe ich mich auch an sein neuestes Werk gemacht, das mit 656 Seiten nicht ganz so dick ist wie das vorige, aber ebenfalls eines, in das man gut abtauchen kann.

Südafrika Ende der achtziger Jahre: Nelson Mandela sitzt noch hinter Gittern, die Apartheid wird noch aufrechterhalten. Die Schwarzen vegetieren in den Townships vor sich hin, während es die Weißen sich in ihren abgeschirmten Vierteln gutgehen lassen. Das ist der Hintergrund der Geschichte von Martin, einem sechzehnjährigen Schüler, der hier als Ich-Erzähler auftritt. Er wächst behütet und gut versorgt in einem Haus mit hohen Mauern und Dienstmädchen auf. Die Rassentrennung ist für ihn in Ordnung, das wird ihm durch Politik und Schule so indoktriniert. Sein Vater verdient genug Geld, um ihm einen Platz an einer Elite-Schule zu sichern.

Als Annie, Austauschstudentin aus den USA, bei ihnen einzieht, ändert sich für Martin Vieles. Es sind nicht nur ihre weiblichen Reize die ihn teenagertypisch komplett flashen. Sie zeigt ihm auch das Südafrika jenseits seiner weißen heilen Welt. Sie nimmt ihn mit zu der Schule im Township, in der sie unterrichtet. Das, was er da sieht, beeindruckt und erschreckt ihn zutiefst.

Ein kleines nacktes Mädchen steht mit den Fingern im Mund in einem Graben und starrt mich an, während sie an ihren molligen Beinchen hinunterpinkelt und ein magerer, räudiger Hund ihr die Feuchtigkeit vom Oberschenkel leckt. (S. 81)

Als Jude hat Martin selbst auch schon Schmähungen erfahren, Antisemitismus kennt man in Südafrika leider auch. Wie allerdings mit den Schwarzen umgegangen wird, hat er sich aber nicht vorstellen können.

Der Autor benutzt Martin ganz geschickt, um auch mir als Leser zu erklären, wie es damals zuging in Südafrika. Mal erzählt ihm ein schwarzer Anführer im Untergrund, was es heißt, schwarz zu sein. Dann erläutert ein weißer Polizist seine Sicht auf die Dinge und wieso diese gesellschaftliche Ordnung für ihn Sinn macht. Dazu noch der Einfluss von außen durch Sanktionen – das Land steht unter enormem Druck. Und da muss Martin sich entscheiden, auf welcher Seite er steht. Diese Spannung überträgt Kenneth Bonert ganz ausgezeichnet in seinen Roman.

 

Der Anfang einer Zukunft

 

Da Martin selbst die Geschichte erzählt, ist der Ton des Buchs recht locker, ohne bemüht jugendlich sein zu wollen. Das ergibt einen guten Lesefluss und ist eingängig. Dabei komme ich Martin sehr nahe und kann seine Gedanken und Ängste gut nachvollziehen. Der Plot ist geschickt eingefädelt und hat teils dramatische Wendungen. Das in Verbindung mit dem extremen Rassismus, der Brutalität und Willkür der Polizeibehörden und der angespannten politischen Situation hat mich sehr in seinen Bann gezogen und flott durch die Seiten fliegen lassen. Nach seinem sehr starken Erstling hat Kenneth Bonert damit meine hohen Erwartungen an „Der Anfang einer Zukunft“ vollauf erfüllt.

© Rezension: 2019, Marcus Kufner

 

Der Anfang einer Zukunft Book Cover Der Anfang einer Zukunft
Kenneth Bonert
Roman
Diogenes – ISBN: 978-3-257-07056-9
25.09.2019
Gebunden
656
www.diogenes.ch
3 comments

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3 comments

Mikka Gottstein 27. Oktober 2019 - 13:11

Hallo,

sehr schöne Rezension – noch ein Buch für die Wunschliste! 🙂

LG,
Mikka

Reply
Marcus vom Bücherkaffee 28. Oktober 2019 - 19:18

Danke dir, Mikka. Ich hoffe, du hast noch einen Platz ganz weit oben auf deiner Wunschliste dafür. 😉
Viele Grüße,
Marcus

Reply
Dirk 28. August 2020 - 22:19

Ich fand “Der Löwensucher” weitaus besser als die Fortsetzung der Familiensaga Helger. Ab “Genesis” wurde es wirklich nervig. Diese komische Figur des Dr. Norm hätte sich Bonert getrost sparen können. Ein Arzt der sich vor seinem Patienten ausheult und allerlei Persönliches von sich Preis gibt. Was soll das? Was um alles in der Welt hat dieser Dr. Norm in dem Roman verloren? Bonert hat den Roman überfrachtet. Ich kann keine Empfehlung für dieses Werk aussprechen.

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