Vor einiger Zeit habe ich Ray Bradbury für mich entdeckt und jedes Buch, dass ich von ihm lese, ist ein wahrer Genuss. Er war so ein großartiger Schriftsteller und Geschichtenerzähler, der wusste, wie man stimmungsvolle Bilder im Kopf entstehen lässt.
Der Aladin Verlag brachte unlängst eine liebevoll gestaltete Neuauflage des 1962 erschienen vielschichtigen Klassikers “Das Böse kommt auf leisen Sohlen” heraus. Dem Comiczeichner Reinhard Kleist ist es grandios gelungen, diese ganz besondere Schauerstimmung in seinen Schwarz-Weiß-Zeichnungen einzufangen.
Bradburys große Themen in dieser fantastischen Coming-of-Age-Geschichte sind Freundschaft, Zusammenhalt, Vater-Sohn-Beziehung und: die große Sehnsucht und Ängste, die das Älterwerden mit sich bringen. Er taucht tief ein und verpackt das Ganze großartig in dem Schauerabenteuer der beiden 13-jährigen besten Freunde Jim Nightshade und Will Halloway – immer untermalt mit diesem besonderen melancholischen Ton, der unter die Haut geht.
Die Sprache? Hochkarätig! Die Spannung? Durchgehend Top!
[…] Doch in dem einen seltsam dunklen langen Jahr, da kam Allerheiligen verfrüht. Eines Jahres begann Allerheiligen schon am 24. Oktober, drei Stunden nach Mitternacht.
In diesem Jahr war James Nightshade aus der Oak Street Nummer 97 dreizehn Jahre, elf Monate und dreiundzwanzig Tage alt.William Halloway von nebenan war dreizehn Jahre, elf Monate und vierundzwanzig Tage alt. Beide streckten ihre Hände nach dem vierzehnten Geburtstag aus und spürten ihn fast schon leise zitternd zwischen ihren Fingern. Das war jene Woche im Oktober, in der sie über Nacht erwachsen wurden, in der das Jungsein Ihnen entglitt…”
Ein geheimnisvoller Jahrmarkt mit dem Namen „Cooger & Darks – Pandämonium – Schattenspiele“ taucht plötzlich über Nacht in Greentown, Illinois auf, mit Figuren, die abstoßend und faszinierend zugleich sind. Ganz voran die Staubhexe und der illustrierte Mann, dessen Tätowierungen ein Eigenleben entwickeln.
Bittersüße Verlockungen warten auf die Besucher – wenn man sich traut, hineinzutreten in das Spiegelkabinett oder gar ein begehrtes Ticket für eine Fahrt auf dem Karussell ergattert. Doch alle, die auf das Karussell steigen, zahlen dafür einen zu hohen Prei. Denn das Böse, das kommt auf leisen Sohlen daher. Und hat es einen erst einmal im Griff, dann hält es jeden fest in seinen Klauen, gibt nicht wieder frei, Runde um Runde…
Aber wie kann man dieses Böse besiegen? Wie können Jim und Will und sein Vater Charles Halloway dieses Karussell des Schreckens stoppen, ohne sich selbst dabei zu verlieren? Gerade Jim, der Neugierige, der Mutige, der sich mit Begeisterung in jede Gefahr stürzt, kann sich der dunklen Gefahr kaum entziehen, wenn die Töne vom „Trauermarsch“ von Chopin wieder leise durch die Nacht wabern und die nächste kostenlose Fahrt lockt…
ABSOLUT spooky und lesenswert !