Ich liebe den Herbst mit all seinen Facetten, bin durch und durch ein Herbstmensch. Wenn es draußen regnerisch und stürmisch ist dann beginnt für mich die Zeit der klassischen Grusel- und Spukgeschichten. Florian machte mich kürzlich auf die großartige GATSBY Geisterhand-Reihe aufmerksam und ich habe mir direkt einen Klassiker gegönnt, der mich sehr begeisterte:
Henry James – der Meister des unzuverlässigen Erzählens
„Die Drehung der Schraube“ ist eine Novelle von Henry James aus dem Jahr 1898. Unter dem Titel „The Turn of the Screw” wurde sie erstmals als Fortsetzungsgeschichte in der Wochenzeitschrift Collier’s mit Illustrationen von Eric Pape veröffentlicht. 1908 erschien dann die erste Buchausgabe. Eine Geschichte mit Nervenkitzel auf höchstem literarischem Niveau, sprachlich absolut elegant und raffiniert und voller Mehrdeutigkeiten. Der Roman gilt heute übrigens als klassisches Beispiel für die Technik des „unzuverlässigen Erzählers“.
So faszinierend wie rätselhaft.
Am Weihnachtsabend unterhält sich eine Runde Herrschaften in einem englischen Landsitz mit dem Erzählen von Gespenstergeschichten. Douglas berichtet, ihm läge ein Manuskript über eine schaurige Heimsuchung vor, die tatsächlich so stattgefunden haben soll. Er lässt diesen Aufschrieb von einem Boten holen, um sie den anderen am Kamin vorlesen zu können.
Es handelt sich um eine Gespenstergeschichte, aufgezeichnet von der Gouvernante (von der man keinen Namen erfährt), die beauftragt wurde, die beiden jungen Waisenkinder Miles und Flora auf dem imposanten Landsitz Bly im Süden Englands zu betreuen. Ihr Auftraggeber ist der Onkel und Vormund der Kinder, den sie verehrt und sie ist dementsprechend sehr angetan von ihrer neuen Aufgabe, der sie sich mit äußerster Hingabe widmet. Doch der Schein der Idylle trügt, denn nach und nach gelangt sie zu der Gewissheit, dass Erscheinungen Bly heimsuchen und sie wägt die Kinder in großer Gefahr.
Ein Schritt in den Raum hatte genügt; mein Sehvermögen war unverzüglich voll da; es erfasste alles. Die Gestalt, die unentwegt hereinblickte, war dieselbe, die mir bereits seinerzeit erschienen war.
Stehen sie gar schon unter dem Bann böser Geister, in denen sie zuletzt ihre eigene Vorgängerin und einen Diener von Bly zu erkennen glaubt? Die beiden sollen sich näher gestanden haben und kamen unter mysteriösen Umständen ums Leben. Die Sorge um ihre Schützlinge treibt sie zu einer zwanghaften Überwachung – mit fatalen Folgen!
Ich begann, sie mit unterdrückter Spannung zu überwachen, einer Angespanntheit, die ich verbarg und die leicht, hätte sie allzu lange gedauert, zu so etwas wie Wahnsinn hätte führen können.
Dass es sich bei diesem Aufzeichnungen ausschließlich um die Darstellung der Gouvernante handelt, macht die Geschichte besonders spannend. Ich war gezwungen, die rätselhaften Ereignisse nur durch ihre Augen zu sehen – und doch kommt hier und da Zweifel auf. Hat es sich so zugetragen? Sind es womöglich Wahnvorstellungen?
Oder bin ich gar zu misstrauisch? Henry James hält alles offen und liefert keine rationelle Erklärung für die Vorkommisse auf Bly. Ist es Realität oder eine reine Einbildung? Das bleibt immer in der Schwebe und gibt mir als Leserin viel Raum für eigene Interpretationen und fördert so meine Fantasie.
Mein Fazit:
Eine schaurig-schöne Gespenstergeschichte auf hohem literarischem Niveau. Die perfekte Herbstlektüre!
@ 2020, Alexandra Stiller
Blogtransparenz: unbezahlte und unbeauftragte Werbung, das Buch wurde selbstgekauft.
Ich werde mir auf jeden Fall nach und nach die weiteren Bände der Geisterhand-Reihe zulegen. (Link zur Reihe: https://kampaverlag.ch/gatsby-geisterhand/) Erschienen sind neben Henry James “Die Drehung der Schraube” bisher folgende Bände:
- Susan Hill: Die kleine Hand
- Susan Hill: Das Gemälde
- Diana Menschig: Die alte Wassermühle
- Oscar Wilde: Das Gespenst von Canterville
- Paul Theroux: Es muss ein Zauber sein
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