Nominiert zum Bayerischen Buchpreis 2018
Nach „Opfer“ von Svenja Goltermann und „Zeit der Zauberer“ von Wolfram Eilenberger ist „Die Vereindeutigung der Welt“ der dritte und letzte Kandidat für den Bayerischen Buchpreis in der Kategorie Sachbuch, mit dem ich mich beschäftigt habe. Neugierig war ich schon auf das, was dieses Thema hergibt.
Zunächst habe ich ein neues Wort gelernt: Der Begriff „Ambiguität“ ist mir bisher tatsächlich noch nicht begegnet.
Das Wort ist aber auch im Deutschen unverzichtbar, nämlich als Begriff für alle Phänomene der Mehrdeutigkeit, der Unentscheidbarkeit und Vagheit, mit denen Menschen fortwährend konfrontiert werden. (S. 15)
Um Ambiguität bzw. deren Toleranz geht es im Kern des Buchs. Thomas Bauer bringt einige Beispiele zur gesellschaftlichen Entwicklung und regionalen Ausprägung der Ambiguitätstoleranz. Dass er die Katholische Kirche als besonders ambiguitätstolerant und damit zukunftssicher beschreibt, hat mich erstmal sehr verwundert, das scheint mit den sinkenden Mitgliederzahlen zumindest hierzulande nicht übereinzustimmen. Seine Argumentation im historischen Kontext konnte ich allerdings nachvollziehen.
Die Betrachtungsweise von Thomas Bauer ist sehr aufschlussreich. Welchen Schaden es verursachen kann, wenn nur eine Wahrheit erlaubt ist, kennen wir von islamischen Fundamentalisten. Die scheinbar einzig korrekte Deutung des Korans dient dabei weniger religiösen Zielen sondern eher der Legitimierung von Gewalt und der Durchsetzung von militärischen und politischen Zielen. Bei den Wahlen bei uns ist aber derzeit auch zu beobachten, dass viele nach einfachen Antworten suchen, weil sie durch uneindeutige Entwicklungen verunsichert sind. Da wäre mehr Mut, um das auszuhalten, sehr wünschenswert.
Thomas Bauer erklärt und argumentiert auf eine angenehm unkomplizierte und zugängliche Art. Mir wurde durch seinen Text jedenfalls bewusst, welchen Wert Vielfalt für uns hat und ich hoffe, dass die Tendenz zum Rationalisieren und Vereinheitlichen sich bald umkehrt. Lediglich die Abgrenzung einzelner Themenbereiche hätte im Buch etwas klarer gestaltet werden können. Religion oder Kunst und Musik tauchen in verschiedenen Kapiteln der Öfteren auf, was zwar der Argumentation hilft, es mir aber etwas erschwert, ein klares Bild davon zu erhalten. Die aufgeführten Beispiele sind zwar anschaulich, decken aber nur einen Teil der Bereiche ab, bei denen die Ambiguitätstoleranz eine Betrachtung wert ist. Da hätte der Autor wegen mir gerne weiter ausholen können. Sein Argumentationsziel erreicht er aber zweifellos trotzdem.
Wie sind die Chancen des dritten Kandidaten für den Bayerischen Buchpreis?
Im Vergleich zu den Konkurrenten sehe ich „Die Vereindeutigung der Welt“ eher als Außenseiter. Das recht dünne Buch bietet zwar einiges an interessanten Informationen und guter Argumentation, die anderen beiden nominierten Bücher haben mich mit der wissenschaftlichen Prägnanz bzw. der Fülle an Wissen allerdings mehr beeindruckt.
© Rezension: 2018, Marcus Kufner
Sachbuch
Reclam – ISBN: 978-3-15-011200-7
1.08.2018
Gebunden
128
www.reclam.de