ich erlaube mir diese Anrede, weil Du nicht hier gelandet wärst, würde uns nicht die Leidenschaft für’s Gedruckte verbinden. Und damit ist Dir sicher jene kribbelnde Freude bekannt, die einen mit einem lange erwarteten Buch überkommt, in das man all seine Hoffnungen und Erwartungen legt. Vielleicht ist es das neue Werk des Lieblingsautors, vielleicht ist es ein gänzlich neuer Teilnehmer im großen Geschichtenspiel, vielleicht die Fortsetzung der Lieblingsserie, die endlich noch unbeantwortete Fragen beantworten soll. Mit glasigen Augen und schwitzenden Händen nimmt man das Paket entgegen, und plötzlich wird alles andere zur Nebensache.
In meinem Fall war es kürzlich Kai Meyers Fortsetzung von “Die Seiten der Welt“, seines Jugendbucherfolges aus 2014, das pünktlich zum Erscheinungstermin als Hörbuch bei mir eintraf. Wenn auch in diesem Werk jedes Wort mit den Augen aufgesogen werden, jedes Umblättergeräusch als Musik verstanden werden will, so schätze ich doch die vertraute Vorlesestimme Simon Jägers. Wenn er in der Gemütlichkeit eines alten Ledermöbels den bewusst leicht angestaubten Erzählduktus des Autors nachvollzieht und gerade auch Nebenfiguren wie einem Südstaatenrevolverhelden oder dem bereits bekannten Leselampe-Ohrensessel-Gespanns Individualität verleiht, fühlt sich das ein bisschen an, wie nach Hause zu kommen. Die Geschichte selbst kann man als bibliophile Coming of Age-Parabel verstehen: Eine Gruppe jugendlicher Rebellen lehnt sich gegen das erstarrte Establishment der Bücherstadt Libropolis auf, wobei der Hauptfigur eine Schlüsselrolle zukommt.
Kai Meyer erschafft sich hier eine detailreich ausgestaltete Welt mit vielen Anspielungen, eine hingebungsvolle Liebeserklärung an das Lesen, die der Zielgruppe anschaulich demonstriert, welche Lust es bereiten kann, sich von einer spannenden Geschichte einfangen zu lassen. Hier kommt die Magie aus den Büchern, ihre besonderen Fähigkeiten erhalten die Protagonisten aus ihrer Affinität zum Gedruckten.
In vielen Variationen gehört, immer wieder bewährt verschreibt sich der Autor einem Genre, das aufwachsenden Menschen, die gerade dabei sind, sich selbst und ihr Verhältnis zu anderen zu entdecken, ihre Rolle in der Welt zu definieren, den Rücken stärken soll. Der kultivierte Aufstand wird zelebriert, mit einer kreativen Explosion eigener Ideen eine neue Ordnung hergestellt. Jede Generation braucht ihre Helden, die für sie Stellvertreterkämpfe austragen, für sie Revolutionen bestreiten.
Wenn auch “Die Seiten der Welt” als Jugendbuch konzipiert ist, ein Abstecher nach Libropolis ist ein bereichernder Umweg.
Freudiges Weiterlesen!
© Wolfgang Brandner
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4 comments
Es gibt jetzt also den 2-ten Teil. Tatsächlich hatte ich die 'Die Seiten der Welt' in der Hand. Aber nachdem ich die Leseprobe durchgelesen hatte, war ich davon nicht mehr überzeugt.
Ich schätze Kai Meyer und lese durchaus Jugendbücher, seit ich mit der Panem-Trilogie überzeugt wurde, das es auch hier für ältere Semester durchaus spannende, kurzweilige Literatur gibt, was sich für mich mit der 'Gebannt'-Saga oder 'Der Bestimmung'-Trilogie bestätigt hat.
Und obwohl mich die Geschichte aus 'Die Seiten der Welt' interessierte, kann ich nicht festmachen, warum es mir letztendlich nicht zusagte. Ein Bauchgefühl eben, ohne konkret formulierbare, greifbare Fakten.
Schönen guten Tag,
freut mich, Dich als aktive Leserin meiner neuen Kolumne begrüßen zu dürfen.
Ja, das kenne ich, daß einem ein Buch nicht auf den ersten Blick zusagt. Manche Lektüreentscheidungen müssen mit dem Kopf, andere mit dem Bauch gefällt werden. “Die Seiten der Welt” fällt definitv in letztere Kategorie. Dennoch rate ich dazu, es nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Vielleicht fällt es Dir ja wieder einmal in die Hand, und vielleicht entscheidet dann das Gefühl anders.
In meinem Fall war es letztlich die Neugier: Ein Jugendroman, der sich als Liebeserklärung für das Lesen versteht und das wo – Achtung: Klischee – der “Jugend von heute” der Sinn ja eher nach anderem steht … das mußte ich einfach haben. Und nachdem mich der erste Teil schon so verzaubert hat, war für mich beim zweiten schon nur mehr die Frage, wann er denn endlich erscheint 🙂
Liebe Grüße einstweilen
Wolfgang
So – und nun ein Plädoyer für aufmerksames Lesen am eigenen Beispiel:
Soeben wurde ich darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei Dir natürlich nicht um eine Leserin, sondern um einen Leser handelt. Bitte um Nachsicht und weiterhin um treues Mitlesen.
Danke!
Ja da kann ich Wolfgang nur zustimmen. ich war zu Beginn auch sehr
zögerlich, habe das Buch dann aber mit großer Begeisterung gelesen. Es
hat mir unglaublich gut gefallen, in diese phantastische Welt der Bücher
einzutauchen. Kai Meyer hat das wirklichs ehr ansprechend umgestezt und
weiss, wie man die Fantasie der Leser so richtig ankurbelt.
manchmal
ist aber nicht der richtige Zeitpunkt für ein bestimmtes Buch. Mir
ergeht es auch oft so. Das liegt dann nicht am Inhalt, sondern an meiner
eigenen aktuellen (Lese)Stimmung. wenn ich besagtes Buch dann später
wieder zur Hand nehme, passt es dann plötzlich.
Liebe Grüße!
Alexandra