Quartalslese 2/2021 – Was den Nerd begeisterte – inklusive Verlosung

WOW – Ich habe „In der Ferne“ von Hernan Diaz an zwei Abenden verschlungen. „In the distance“ so der Originaltitel dieses Romandebüts und Neo Westerns, wurde von Hannes Meyer übersetzt, ist bei Hanser Berlin  erschienen und war 2018 für den Pulitzer Prize nominiert. Diaz erzählt die Geschichte des jungen Håkans, der aus Schweden ins gelobte Land Amerika kommt. Leider verliert er noch vor der Überfahrt seinen Bruder in der Menge und kommt so auf ein falsches Schiff: Statt in New York, landet er in San Francisco. Zu Fuß macht er sich auf, seinen Bruder zu finden. Er will den Kontinent von Kalifornien (wo gerade der große Goldrausch stattfindet) zu Fuß durchqueren -koste es, was es wolle. Am Ende der Geschichte wird er „The Hawk“ sein, ein enigmatischer Mythos, der viele Wüsten durchwandert und essenzielle Erfahrungen durchlebt hat: Einsamkeit und Entwurzelung. Was für eine epische Geschichte Diaz da geschrieben hat! Natürlich kam mir Cormac McCarthy in den Sinn, auch „The Revenant“ (vor allem, was das realistische Grauen angeht, die raue Natur, die Gewalt, die Verletzungen und Krankheiten) – gleichzeitig aber muss ich die fast meditative Stille des Romans erwähnen. Die Einsamkeit, die Empathie und Sensibilität des Helden berührte mein Herz ungemein. Vor allem die kleinen Momente, in denen Liebe aufkeimt, kurz aufschimmert. Geweint habe ich wegen all des Verlusts, all des Schmerzes, der Håkan widerfährt. Mitgelitten haben ich. Mitgefiebert (und mitgefroren) habe ich wegen seiner Getriebenheit- so nah war ich schon lange nicht mehr an einer Figur. Diaz hat eine wunderschöne Sprache – Naturbeschreibungen, die die Leser schier umhauen. Dazu das Vermitteln des Gefühls der Isolation, welches geradezu Gänsehaut verursacht. Ein Meisterwerk, das die großen Themen „Heimat“ und „Wurzeln“ behandelt und mich aufgewühlt und bewegt zurücklässt. Absolute Leseempfehlung.

Hernan Diaz – In der Ferne – ISBN: 978-3-446-26781-7

Irgendwie müsste ich der Bischofskonferenz, die dem Buch Papierklavier  von Elisabeth Steinkellner den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis verweigert hat ja dankbar sein. Wenn es nicht so traurig und – sorry die Wortwahl- dumm gewesen wäre. Mich hat der nachfolgende, verdiente Shitstorm jedoch neugierig gemacht: Und so habe ich eines der besten Jugendbücher der letzten Jahre für mich entdecken können. Eindrucksvoll und kongenial intensiv illustriert von Anna Gusella, erschienen bei Beltz & Gelberg, erzählt Papierklavier in Tagebuchform die Geschichte der 16jährigen Maia. Maias Mutter arbeitet ständig und ist alleinerziehend, ihre 3 Kinder sind von 3 verschiedenen Vätern. Maia jobt neben der Schule und kümmert sich um ihre Geschwister. Halt und Liebe findet sie vor allem bei ihren beiden besten Freundinnen. Steinkellner erzählt authentisch und aufrichtig davon, was es heißt, Teenager zu sein. Impulsiv, wild und echt sind Maias Tagebucheinträge. Und obwohl unglaublich viele Themen in der Geschichte stecken (Tod, Liebe, Sex, Armut, das prekäre Milieu, Trans*, Bodyshaming, #meetoo), wirkt sie an keiner Stelle überfrachtet. Im Gegenteil: Alle Konflikte, alle Themen werden sensibel angesprochen und ernst genommen. So liest sich Papierklavier einfühlsam, witzig, verletzlich – und als ein absolutes Empowerment für junge Frauen. Es menschelt an allen Ecken und steckt voller Empathie, Freundschaft und Liebe. Möge dieses kleine Meisterwerk noch viele (junge) Leser*innen finden. Zum Glück wurde das Buch mit zahlreichen anderen Preisen und Auszeichnungen bedacht. „Jede*r ist anders als die anderen und trotzdem passen wir ALLE irgendwo dazu, und am Ende gehören wir doch alle irgendwie zusammen, weil wir so unterschiedlich gar nicht sind.“

Elisabeth Steinkellner – Papierklavier – ISBN: 9783407755797