Aufgelesen #17 | 42 … UND NOCH VIEL MEHR

by Wolfgang Brandner
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“Daß ich erkenne, was die Welt

Im Innersten zusammenhält”

Mit diesem berühmtes Zitat bringt Goethes FAUST verzweifelt seufzend sein tiefes Bedürfnis nach Erkenntnis zum Ausdruck. Nicht allein drängt es dem Gelehrten nach bloßem lexikalischen Wissen, das nachgeschlagen und abgerufen werden kann. Darunter fällt etwa die Frage, wie hoch der höchste Gipfel in den Alpen liegt oder in welchem Jahr Vincent van Gogh geboren wurde. Faust will mehr, er will ein tiefes Verständnis nach den Vorgängen im Universum erlangen, nach den Grundprinzipien der Natur, des menschlichen Zusammenlebens. Er fragt nicht nur nach dem Was und dem Wie, sondern in erste Linie nach dem Warum.

Tatsächlich spiegelt sich in dieser Frage ein tiefes menschliches Grundbedürfnis. Jeder von uns sucht von Zeit zu Zeit nach seinem Platz in der Welt … oder hinterfragt den aktuell bezogenen.

Warum bin ich am Leben? Was ist der Zweck meines Daseins? Habe ich auf der Welt eine Aufgabe zu erfüllen, ist mir eine Rolle in einem übergeordneten Plan zugedacht? Wenn dem so ist, wie sieht diese Rolle aus? Was geschieht, wenn meine Aufgabe abgeschlossen ist? Gibt es überhaupt ein Danach? Schließlich, von wem wurde mir diese Rolle zugedacht, wer hat die Welt erschaffen, wenn es denn einen solchen Schöpfer gibt?

Wie tief verankert dieser Drang nach Verständnis ist, erkennt man vor allem an dem Umstand, daß jede Kultur sie zu beantworten sucht. Von der Antike bis in die Neuzeit, von Naturvölkern bis zu hoch technisierten Zivilisationen finden sich Erklärungsmodelle. Ob das Wirken elementarer Gewalten nun Naturgottheiten zugeschrieben oder wissenschaftlich erklärt wird, das Prinzip ist dasselbe. Wir wollen verstehen, uns nicht damit abfinden, daß etwas ohne erkennbare Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Denn diese zu erkennen, bedeutet, in der Lage zu sein, sie sich nutzbar machen zu können. Wenn wir ein System verstehen, können wir es auch zum eigenen Vorteil gebrauchen, es beherrschen. Anhand eines präzisen Wetterberichts können wir rechtzeitig vor dem nahenden Gewitter Schutz suchen, durch Beobachtungen des Wassers und seinen Druck können wir es zur Energiegewinnung nutzen.

 

»KEINE PANIK«

Aber nicht nur die kohäsiven und kausalen Kräfte des Gesamtgefüges interessieren uns, vor allem stehen wir natürlich selbst im Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Die Vorstellung, orientierungslos und ohne erkennbare Mission unser Dasein fristen zu müssen, wäre nicht sonderlich aufregend. Das Gefühl, nur Teil einer anonymen Masse zu sein, untergräbt ein Geltungsbedürfnis, das jedem in einem bestimmen Ausmaß innewohnt. In Douglas Adams’ PER ANHALTER DURCH DIE GALAXIS*, das große Weisheit bescheiden als absurde Satire verkleidet, wird als “grausamste Seelenfolter” der Totale Durchblicksstrudel beschrieben. Dabei wird der Delinquent in seiner Existenz mit der Gesamtheit des Universums in Relation gesetzt, um ihm so seine Bedeutungslosigkeit zu demonstrieren. Damit trifft uns der britische Autor an einem besonders wunden Punkt: Ist denn unser Dasein überhaupt relevant? Was macht es denn im großen kosmologischen Kontext für einen Unterschied, ob wir Bewohner unseres kleinen Planeten nun unseren täglichen Verrichtungen nachgehen oder nicht? Nur um den Totalen Durchblicksstrudel näherungsweise zu simulieren: Die Sonne, das zentrale Gestirn unseres Systems ist nur einer von rund 100 bis 300 Milliarden Sternen, die zusammen die Milchstraße bilden. Diese wiederum bildet mit ihresgleichen Galaxienhaufen, die wiederum … nun, das Prinzip ist verständlich.

Liebe Leserin, lieber Leser, solltest Du in einer klaren Frühlingsnacht den Sternenhimmel betrachten, kommen Dir vielleicht ähnliche Überlegungen in den Sinn. Beachte allerdings bitte, daß die wenigsten von uns Erdbewohnern tatsächlich vor der Aufgabe stehen, an den fundamentalen Daseinskräften zu schrauben. Wir mögen zwar im großen Schöpfungsmosaik nur ein unscheinbar winziges Steinchen sein, aber umgekehrt gilt das ja genauso: In der Regel reicht es vollkommen aus, uns auf jenen Teil der Welt zu konzentrieren, den wir tatsächlich beeinflussen können. Und was den Sinn des Lebens betrifft, auch hier hat Douglas Adams eine Antwort gefunden:

42.

 

Freudiges Weiterlesen … und danke für den Fisch!

© Kolumne, Wolfgang Brandner

 

Literatur: Per Anhalter durch die Galaxis | Douglas Adams*

Heyne | Taschenbuch | 1998 | ISBN: 978-3-453-14697-6
Der erste Band der fünfteiligen Trilogie

KLAPPENTEXT: Vor 30 Jahren wurde von einem der größten Verlage Ursa Minors (und der Erde) das bemerkenswerteste Buch, das je veröffentlicht wurde, der Menschheit zugänglich gemacht: Per Anhalter durch die Galaxis.
Für Arthur Dent ist es ein ganz normaler Donnerstag, bis sein Haus von Planierraupen niedergewalzt wird. Kurz darauf wird allerdings auch die gesamte Erde von einem vogonischen Bautrupp plattgemacht, weil sie einer Hyperraum-Umgehungsstraße weichen muss. Aber da hat sich Arthurs bester Freund schon längst als Alien entpuppt, und sie sausen durchs Weltall mit nichts als ihren Badetüchern und einem harmlos wirkenden Buch, auf dem in großen, freundlichen Buchstaben »KEINE PANIK« steht. Und dabei hat das Wochenende gerade erst angefangen…

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