Dobro jutro, Rijeka!
Rijeka ist als ein bedeutender Hafen in der Kvarner-Bucht die drittgrößte Stadt Kroatiens. Bereits in der Antike von den Römern besiedelt, erlangte sie ihre Bedeutung in der Habsburgerzeit, wo sie den Namen St. Veit am Flaum trug. Aufgrund der strategisch günstigen Lage war die Stadt lange Zeit Spielball der Mächte und stand abwechselnd unter habsburgischer und italienischer Herrschaft. Diese Geschichte als See- und Handelszentrum spiegelt sich heute noch in der kulturellen Vielfalt und der Zusammensetzung der Bevölkerung wider.
Autorin Ranka Nikolic vermittelt in ihrem Debütroman einen historischen Abriß des Handlungsortes und der Mentalität seiner Bewohner. Sätze, die mit “In Kroatien ist …” oder “Die Kroaten sind …” beginnen, könnten genauso gut aus einem Reiseführer stammen und wirken für einen erzählenden Text ungewohnt belehrend. Aufgrund ihrer Häufung gerade zu Beginn entsteht der Eindruck einer zu absolvierenden Pflichtübung, um sich die Einordnung in das Genre Regionalkrimi zu erarbeiten.
Als weitere Unterkategorie wird vom Verlag “Cosy-Crime” angegeben, also jene Art von Geschichten, in der ein Krminalfall lediglich den Rahmen für die eigentliche stark im Zwischenmenschlichen angesiedelte Handlung bildet. Die Figuren entsprechen hinlänglich bekannten Stereotypen, wie etwa Sandra Horvat, die als junge engagierte Ermittlerin zwischen ihren männlichen Kollegen immer wieder um Anerkennung kämpft. Die bewußte Überzeichnung einzelner Charaktere läßt diese schrullig erscheinen und nimmt der Geschichte vorsorglich noch ihre Schärfe. Die stockkonservative Vermieterin der Mordopfers beschwört beim Anblick von Marihuana alle Heiligen, und die in die Jahre gekommene Escort-Dame becirct einen Kollegen Horvats, der sich jedoch in seiner ungehobelten Misanthrophie als immun gegen deren Avancen erweist.
Schließlich wird das Team um Danijel Sedlar, einen jungen Kollegen aus Istrien erweitert, der sich natürlich als ungewöhnlich gutaussehend und charmant erweist und dem Sandra wie einem narrativen Naturgesetz folgend, sofort verfällt. Über weite Strecken des Romans verfängt sich dann auch der titelgebende Meerblick oft im hormonellen Nebel. Irgendwann ist der Fall schließlich aufgeklärt, und als Leser fühlt man sich um die Gelegenheit betrogen, anhand von Indizien, Verdachtsmomenten und Motiven an der Mördersuche mitzuwirken.
Für die Hörbuchfasung wurde mit Mimi Fiedler eine ideale Sprecherin gefunden. Ihre lebendige Interpretation der Wortgefechte von Sandra Horvat und ihren Kollegen samt den gespielten Kränkungen bringen den Hörer zum Schmunzeln. Als gebürtige Kroatin verleiht sie durch die weiche Aussprache der Namen dem Roman formal jenen regionalen Bezug, der inhaltlich oft nicht vollständig hergestellt ist.
Persönliches Fazit
“Mord mit Meerblick” ist wie ein Urlaubsdomizil, bei dem sich der Strand, der laut Reisebüroprospekt unmittelbar vor der Haustüre liegen sollte, als einen halbstündigen Fußmarsch entfernt entpuppt.
© Rezension: 2017, Wolfgang Brandner
Kriminalroman
Audio Media Verlag - ISBN: 9783956392221
2017
Hörbuch, gekürzte Lesung, 351 Minuten
2 comments
Ich bin heut zum ersten Mal auf deinem/eurem Blog und möchte ein großes Kompliment da lassen! 🙂 Mir gefällt es hier außerordentlich gut hier…
Viele Grüße und eine tolle neue Woche,
Caro
Hallo Carolina Aurélie!
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