Im Gespräch mit Tommy Krappweis

by Wolfgang Brandner
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Ich hatte das besondere Vergnügen, dem deutschen Autor, Komiker, Regisseur, Produzent, Stuntman und Musiker Tommy Krappweis einige Fragen zu dem erfolgreichen Hörspiel KOHLRABENSCHWARZein neues Audible Original-Hörspiel mit Top-Besetzung (Autoren: Tommy Krappweis, Christian von Aster) zu stellen:

Tommy Krappweis - Interview buecherkaffee.de

Im Gespräch mit Tommy Krappweis

Tommy Krappweis, mit welchem Gedanken, Erlebnis, welcher Begegnung hat “Kohlrabenschwarz” für Sie als Autor begonnen?

Mein Kollegenfreund Michael Kessler und ich hatten gerade die Arbeiten an dem Hörspiel „Bill Bo und seine Bande“ beendet und saßen nun in einem Biergarten im bayerischen Alpenvorland bei einem Radler beisammen, um uns ausgiebig selbst zu gratulieren. Ich glaube, Michael sagte sowas wie „Ich finde ja, man müsste mal was mit Mystery machen …“ und vor dem Hintergrund meiner Fantasy Trilogie „Mara und der Feuerbringer“ kam ich da schnell mit lokalen Mythen und Sagen als möglichen Dreh- und Angelpunkt daher. Michael und ich waren uns außerdem einig, dass wir kein „neues deutsches Kunstsprech“ haben wollten, wie man es zum Beispiel in synchronisierten Serien oder in der ein oder anderen deutschen TV-Serie hört. In amerikanischen Produktionen sprechen die Leute auch in regionalen Dialekten und es ist Teil der Glaubhaftigkeit. Das wollten wir ebenfalls nützen. Es war also eine Mischung aus „Man sollte mal“ und „Man sollte mal anders“.

Wie wussten Sie, dass genau diese Idee das Zeug zu einer spannenden Geschichte hat?

Es gibt da bei mir immer diesen ganz speziellen Moment, ab dem irgendwas laut einrastet. Plötzlich ist da eine Art Gefühl für das gesamte Vorhaben, inklusive der großen Plots, der Figuren, der Tonalität und dem eigenen Charme … Ab da muss ich eigentlich nur noch den Figuren die Möglichkeit geben, das mit mir zu entdecken und entsprechend zu reagieren. Darum bin ich auch kein guter Brainstorming-Partner. Denn wenn es bei mir CLICK macht, will ich das schreiben und dabei feststellen, was funktioniert oder wo es Korrekturbedarf gibt. Bei „Kohlrabenschwarz“ passierte dieser Moment in der Sekunde, in der Michael und ich auf die Figur des „Stefan Schwab“ kamen, der lange Zeit für die Polizei Opfer betreut hat und jetzt glaubt, nur noch seine Ruhe haben zu wollen. Direkt danach war klar, dass wir dem Schwab einen Pfarrer sowie eine spirituell bewegte Ex zur Seite stellen würden.

Und wie viel Zeit ist seit dem Beginn der Reise bis zum fertigen Hörspiel vergangen?

Ich glaube, das dürften so eineinhalb Jahre gewesen sein. Denn die Schreibarbeit war wirklich aufwendig. Mein fantastischer Co- Autor Christian von Aster legte auf Basis meiner groben Figuren und der Plotidee erste Storylines vor, daraus entwickelten wir längere Treatments und dann im Ping Pong Verfahren die finalen Scripts. Die Producerin Barbara Landsteiner von Audible war als penible Krimiexpertin eine große Hilfe, ebenso meine Frau Sophia, die nicht nur als Lektorin, sondern auch als Diplom Psychologin wertvolle Korrekturen beisteuerte. Denn Christian und ich stellten sehr schnell fest, dass wir beide gemeinsam nicht einmal einen schlechten Psychologen abgeben würden. 
Die Aufnahmen waren aufgrund des prominenten Casts und der vielen Nebenrollen eine große Herausforderung für Melanie Graf, die das alles planen durfte – erschwert durch den Anspruch, dass ich so viel wie irgend möglich im Ensemble aufnehmen wollte und dann noch durch die Beschränkungen, die uns die Pandemie beschert hat.
Die Nachbearbeitung hat viel länger gedauert, als jedes andere Hörspiel, das wir bislang produziert hatten. Von der eigens produzierten Musik bis hin zu der Vertonung jedes Kleiderraschelns und Stuhlknarzens war das wirklich ein monströses Unterfangen, auf das wir nun alle auch entsprechend stolz sind.

Warum musste es genau ein Hörspiel sein und kein Roman oder Hörbuch?

Kohlrabenschwarz würde ebenso als Buch, Hörbuch, Fiction Serie, Konzeptalbum oder Point & Click Adventure funktionieren – natürlich sauber adaptiert auf das jeweilige Medium. Interessante Figuren mit einem spannenden Plot funktionieren immer, solange man mit dem jeweiligen Vehikel eine Geschichte erzählen kann. Beim Hörspiel haben wir natürlich den großen Vorteil, dass wir den Aufwand weder als Grafik pixeln noch als Set bauen müssen. Da ist man beim Schreiben schon deutlich freier, als wenn man dauernd denkt „Verdammt, wie drehen wir das denn, ohne dass das Budget explodiert?“ Im Endeffekt ist es insgesamt sogar recht verfilmbar geworden, was sicher kein Nachteil ist.

Wie wird typisch bayerisches Flair, das lokale Ambiente im Hörspiel erzeugt?

Nun ja, man hört jetzt nicht in der jeder Szene Kirchtürme und Kuhglocken. Die Hauptsache sind hier die Haupt- und Nebenrollen mit den authentischen Dialekten. Aber auch die Themen rund um alte lokale Gebräuche und Schauergeschichten machen hier natürlich viel aus.

Hatten Sie Einfluss auf die Wahl der Sprecher*innen?

Da wir grundsätzlich nur mit Leuten zusammenarbeiten, die wir mögen und mit denen die Arbeit Spaß macht, würde ich keinen Job der Welt akzeptieren, bei dem das nicht so ist. Glücklicherweise sind wir uns mit Audible immer schnell einig, es ist ein entspanntes Miteinander – so wie es sein sollte, wenn man gemeinsam etwas Besonderes auf die Beine stellen will.

Was ist Ihr ganz persönlicher Bezug zu Rosenheim, zu Bayern?

Ich bin in München geboren und aufgewachsen und wohne jetzt seit einigen Jahren mitten im bayerischen Voralpenland. Ich will nirgendwo anders leben und kenne mich hier auch gut aus. Darum spielt auch „Mara und der Feuerbringer“ mitten in München. Rosenheim ergab sich als Dreh- und Angelpunkt, weil dort das Polizeipräsidium Oberbayern Süd zuhause ist und übergreifende Fälle von solcher Tragweite und Dramatik dort behandelt würden.

Wenn wir nun die bayerische Folklore verlassen, anhand welcher Sage, Legende, welchen Märchens egal welcher Herkunft könnten Sie sich noch eine Episode wie in “Kohlrabenschwarz” vorstellen?

In der Tat greift in unserer Story das Phänomen der wiedererwachenden alten Geschichten recht schnell um sich, verbreitet sich bis nach Niedersachsen und das Staffelfinale spielt in der Wiener Unterstadt. In Staffel zwei spinnen sich Verbindungen nach Frankreich und Russland. Da viele Märchen- und Sagenstoffe weit verbreitet sind und sich in unterschiedlichen Ausprägungen sogar weltweit wiederfinden, war das von vorne herein der Plan.

Warum ist die Hauptfigur Stefan Schwarz gerade Polizeipsychologe?
Warum nicht, wie sonst üblich, selbst Polizist?

Genau deswegen. Es galt unter allen Umständen alles zu vermeiden oder wenigstens deutlich zu variieren, bei dem man zunächst an die Redewendung „wie sonst üblich“ denkt. Abgesehen davon ist es für diese Art von Geschichten hilfreich, wenn die Hauptfigur nicht so ohne weiteres Zugang zum kompletten Polizeiapparat hat und immer wieder Wege finden muss, um an Informationen zu kommen.

Und wie kam es zu Franz als Partner? Franz ist – nicht nur als evangelischer Geistlicher im erzkatholischen Bayern – eine originelle Figur. Wie ist diese Figur entstanden?

Ich glaube, die Idee für einen evangelischen Pfarrer in Bayern als Partner hatten Michael und ich schon bei dem oben beschriebenen Biergartenbesuch. Wir fanden beide einen Pfarrer spannend, weil er ja schon eine gewisse Grundakzeptanz für Dinge mitbringt, die man nicht sehen, fotografieren oder wissenschaftlich belegen kann. Andererseits gibt es einfach schon zu viele bayerische Pfarrer, die dann halt so sind, wie man sich die vorstellt. Und um auch hier nicht wieder das Klischee vom Klischee zu erzählen, wurde Hochwürden dann recht schnell evangelisch … und ausgestattet mit einer nebulösen Vergangenheit, die den recht unpfarrerhaften Besitz und Gebrauch von Schusswaffen erklärt.

Was ist Ihr persönlicher Höhepunkt in der Geschichte? Welche Szene war am aufregendsten, lustigsten, interessantesten zu schreiben?

Christian von Asters Idee, dass sich in der Wiener Unterstadt eine Art Archiv für Märchen-Artefakte befindet, führte zu einem Showdown, der meiner Meinung nach zum originellsten und unterhaltsamsten gehört, was wir bislang produzieren durften. Hier kamen die Möglichkeiten des Hörspiels massiv zum Tragen und die Sounddesigner dürften uns einige Male zurecht dafür verflucht haben. Eine vergleichsweise unaufwändige Szene ist die eher komödiantische Szene um ein armselig posiertes Foto, das der von mir gesprochene Thomas Falbner in völliger Verkennung seiner vermeintlichen körperlichen Vorteile an die smarte und wortgewandte Polizistin Anna (Bettina Lamprecht) verschickt hat. Hier mussten wir uns bei den Aufnahmen oft das Lachen verbeißen.

Wann dürfen wir mit den nächsten Abenteuern der SOKO  “Kohlrabenschwarz” rechnen?

Christian von Aster und ich haben die Treatments für die nächste Staffel bereits an Audible geliefert und sind zuversichtlich, dass es dann zügig weitergeht. Alle, die Staffel 1 vorab hören durften, sind schwer begeistert und ich kann nur hoffen, dass dieser sehr besondere Mix aus Mystery, Humor, Lokalkrimi, Märchen und Sagen den Hörer:innen da draußen ebenso viel Spaß macht.

Vielen Dank, Tommy Krappweis, für die spannenden Einblicke und weiterhin viel Erfolg mit “Kohlrabenschwarz”

Interview, 2020 © Wolfgang Brandner

Rezension zu “Kohlrabenschwarz”

Kohlrabenschwarz | Tommy Krappweis & Christian von Aster

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Videotrailer zu “Kohlrabenschwarz” – © Audible Deutschland

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Heute im Ferngespräch: Märchen – Die Schlechten ins Kröpfchen | gwup | die skeptiker 20. April 2021 - 14:45

[…] mit Tommy Krappweis zu „Kohlrabenschwarz“, BücherKaffee am 21. November […]

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